Pressemitteilung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Werder (Havel) zur Sitzung der Stadtverordneten am 19. März 2020

Zweifelsohne erfordern besondere Zeiten besondere Maßnahmen. Die aktuelle Krise um die Viruserkrankung Corona stellt sowohl die Bürgerinnen und Bürger, die Gewerbetreibenden, die politischen Vertreter und im Besonderen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung unserer Stadt Werder (Havel) vor große und bislang unbekannte Herausforderungen. Daher sei an dieser Stelle zuallererst ein Dank an all diejenigen gerichtet, die neben den vielen sich anbahnenden Schwierigkeiten in der Organisation des eigenen Alltages sich um das Funktionieren des öffentlichen Lebens kümmern. 

Um diese Bemühungen in den Möglichkeiten gewählter Vertreter bestmöglich zu unterstützen, werden wir von Bündnis 90/Die Grünen Werder (Havel) dafür werben, bewußt in der vorläufigen Haushaltsführung zu verbleiben. Schon mit Beschluss ist der Haushalt von der Wirklichkeit überholt. Die Einnahme Planungen stimmen nicht mehr, denn sowohl bei Gewerbesteuer als auch Einkommensteuer ist mit erheblichen Verwerfungen zu rechnen. Die vorläufige Haushaltsführung ist daher das geeignete Instrument, um sowohl auf die Anforderungen durch die Krise als auch mit den Verwerfungen umzugehen. Das Rundschreiben des Brandenburgischen Innenministeriums (220-2020) skizziert die dazu notwendige Vorgehensweise. Alle anderen Vorhaben müssen zurückstehen, bis wir die Auswirkungen der Krise abschätzen können. Schon aus diesem Grund können wir dem Haushalt 2020/2021 nicht zustimmen. 

Es sei an dieser Stelle allerdings auch darauf hingewiesen, dass der Entwurf zum Doppelhaushalt 2020/2021 in seiner zur Abstimmung gestellten Variante ebenfalls inhaltlich nicht unsere Zustimmung findet.

Der Haushaltsbeschluss im allgemeinen und ein Doppelter im Speziellen stellt in vielen Bereichen unseres Miteinander entscheidende Weichen für die kommenden Jahre, gar Jahrzehnte. Neben den grundsätzlich positiven Inhalten des Haushalt wie z.B. die Investitionen in die Schulinfrastruktur, welche allerdings um Jahre zu spät kommt, die hoffentlich erfolgreiche Sicherung des Scala für eine Nutzung durch die breite Öffentlichkeit oder die Aufstockung der Mitarbeiterzahl in der Stadtverwaltung, zeigt der Haushaltsentwurf 2020/2021 schwarz auf weiß, welche massiven Einschnitte die Investitionen in die Therme und die ungedeckelten Zugeständnisse zum Hoffbauer Bildungscampus in Glindow in unsere finanziellen Rücklagen darstellt. 

Im Gesamten betrachtet muss dem Haushaltsentwurf von Fr. Bürgermeisterin der Mangel an Visionen attestiert werden. Richtungsweisende Entscheidungen oder wenigstens die Vorbereitung dieser sucht man vergebens. Wie oder wohin soll sich unser Stadt Werder (Havel) in den kommenden Jahren/Jahrzehnten entwickeln? Der Haushaltsentwurf unternimmt noch nicht einmal den Versuch, darauf zu antworten.

Im Konkreten bemängeln wir u.a. den geplanten Standort für ein neues Schulgebäude an der Karl-Hagemeister-Grundschule. Der dortige Schulbau ist bereits heute der größte der Stadt mit den meisten Schülerzahlen. Ein weiterer Schulbau dort reduziert den Schulplatz bei gleichzeitig mehr Schülern und die vorhandene Sporthalle erreicht ihre Leistungsgrenze. Insgesamt verliert der Schulstandort an Attraktivität und könnte sich bei ungünstiger Entwicklung bald als Problemfall darstellen. Die sinnvolle Alternative einer neuen Schule etwa in den Havelauen wurde nicht ernsthaft verfolgt, weil dort erst Grundstücke angekauft und ggf. der Flächennutzungsplan hätte geändert werden müssen. Daher hätte der Haushaltsentwurf den Fokus auf den Schulstandort offen lassen und diese Frage der SVV vorgelegt werden müssen. Und apropos Sporthalle: eine erfreulich wachsende Stadt wie die unsere, mit einer erfreulich bunten Vielfalt an Sportvereinen braucht dringend mindestens eine weitere Dreifeldhalle zur Sicherstellung von Hallenzeiten. 

Uns von Bündnis 90/Die Grünen besonders am Herzen liegende Themen wie deutliche Investitionen in die Radwege Infrastruktur oder Maßnahmen für den Klima- und Artenschutz sucht man ebenfalls vergeblich. Erinnert sei an die vielen Versprechungen für den Klimaschutz fast aller Parteien zum Kommunalwahlkampf 2019, welche von den Laternenmasten prangten. Eine Umsetzung ist bei mangelndem Budget freundlich formuliert deutlich erschwert.

Neben den Inhalten bleibt noch die Einbringung durch Fr. Bürgermeisterin Saß zu kritisieren. Mitte Dezember in die Stadtverordnetenversammlung eingebracht, fand der Haushaltsentwurf erst gut einen Monat später den Weg zu den Stadtverordneten bzw. sachkundigen EinwohnerInnen. Damit blieben nur rund 4 Wochen, um den Haushalt zu lesen, zu verstehen, mit den eigenen politischen Schwerpunkten zu vergleichen und aus der Differenz sachlich und fachlich fundierte Änderungsanträge abzuleiten. 

Um seiner Verantwortung als ehrenamtlicher Stadtverordneter gerecht werden zu könne und eine Doppelhaushalt im Wert von rund 120mio € ordentlich beschließen zu könne, ist diese Zeitspanne schlichtweg zu kurz. 

Daher bleibt für die hoffentlich nicht allzu ferne Zeit nach der Pandemie die Verpflichtung zur Rückkehr zur geordneten politischen Sacharbeit. Grundsätzlich im Haushalt verankerte Mittel sind dann im Einzelfall mit gesonderten Anträgen zur Sache richtig zu steuern, um nachhaltige Fehlentwicklungen zu verhindern.